Der erste Tag in Peking.

5 12 2015

 

     

    16.10.

     

    Das Kapitel China beginnt mit der Ankunft in Peking. Nein, eigentlich beginnt es bereits mit der 24 stündigen Zugfahrt von Ulan Bator aus. Bereits während dieser Zugfahrt konnte man die ersten Eigenheiten der chinesischen Kultur kennenlernen.

    Ich war Teil einer größeren westlichen Reisegruppe, bestehend aus einigen Kanadiern, Holländern, Engländern und ich als Deutscher. Wir kannten uns alle aus dem Hostel in UB und vereinbarten, eine große Transsib-Party zu fahren – mit reichlich Vodka, so wie sich das gehört. Tags zuvor hatten also ALLE reichlich Vodka gekauft, sodass wir für ca. 8 Personen 6 Flaschen Vodka hatten – na dann Prost. Einen weiteren interessanten Twist bekam die Alkoholsituation, als uns bewusst wurde, dass gegen Abend die Passkontrollen an der chinesischen Grenze stattfinden werden. Da etwaiger Alkohol in den Zügen nicht erlaubt ist, musste unser Vorrat also vorher schon verbraucht werden.

    Dies sahen wir natürlich nicht als Problem, sondern als Herausforderung und so schwankte das Stimmungsbarometer im Laufe der Zugfahrt von ruhig, über heiter, ausgelassen, völlig überdreht bis hin zu totaler Müdigkeit am frühen Abend. Die Kanadier waren zwischen drin so betrunken, dass sie laut durch die Gänge gepoltert sind, sehr zum Leidwesen der anderen Gäste. Als dann die Passkontrollen stattfanden war bereits wieder Ruhe eingekehrt, die restlichen Alkoholreste in unserem Abteil verstecke ich in der hintersten Ecke. Dann kam der Auftritt der Grenzkontrolleurinnen. Die beiden Kanadier in meinem Abteil schliefen und wurden äußerst unsanft von der Kontrolleurin geweckt. Reisepässe wurden eingesammelt uns wurden Papiere zum Ausfüllen da gelassen. Nach getaner Arbeit schlief der eine Kanadier wieder ein, seine Freundin blieb wach. Währenddessen konnte man ein interessantes Schauspiel beobachten, nämlich der Radwechsel der Waggons. So wurde ein Waggon nach dem anderen hochgehoben, schwebte für ca. eine halbe Std. in der Luft während dessen es unter uns unglaublich gepoltert hat. Dann wurde der Waggon wieder heruntergelassen und fertig war das neue Fahrgestell. Als dann nach gut eineinhalb Stunden die Kontrolleurin wieder unser Abteil betrat, gab sie uns die Pässe wieder – nicht ohne den armen Kanadier wieder unsanft zu wecken. Es hat selbstverständlich nicht gereicht den Pass einfach seiner Freundin zu geben, er musste mit einem Klaps auf die Füße geweckt werden. Aha, Chinesen sind schon mal nicht von der sanftesten Sorte.

    Insgesamt dauerte die Prozedur ander mongolisch-chinesischen Grenze fast 6 Stunden, erst dann setzte sich der Zug Richtung Peking in Bewegung.

    Am Grenzbahnhof Zarmen-Ude

    Am Grenzbahnhof Zarmen-Ude

     

    Am Bahnhof angekommen zersprengte die Gruppe schnell in ihre Einzelteile und ich sah mich allein auf dem Bahnhof. Ich sah mich nun folgender Situation ausgesetzt:

    Ich hatte zwar die Adresse meines Hostels, hatte aber versäumt, wo das in Peking ist. Dass man die Distanzen in Peking nicht mal eben zu Fuss zurück legt, offenbart ein Blick auf den Maßstab der Karte von Peking in meinem Reiseführer. Ein Zentimeter auf der Karte war ein Kilometer in echt.
    Ich wusste, dass das Hostel 10 m Fussweg von der verbotetenen Stadt entfernt ist. Wie man dorthin kam wusste ich jedoch auch nicht, geschweige denn wie man von dorthin zum Hostel kommt. Mein Plan, sich einfach von dort aus urchzufragen wurde schnell vernichtet, als mir bewusst wurde, dass Chinesen mit Adressen in unserer lateinischen Schrift gar nichts anfangen können (und oftmals können sie noch nicht mal ihre eigene Schrift entziffern).

    Auf dem Bahnhofsvorplatz war es zudem unendlich laut und wuselig, alle schauten mich an, als hätte ich drei Augen und Mütter ließen ihre Kinder einfach so mitten auf dem Platz auf den Boden kacken. Willkommen in China!

    Ich blieb erfolgreich ruhig und versuchte mich zunächst nach der Ubahn durchzufragen. „Aha, ich müsse die Straße überqueren und dann dort drüber hinunter. Wo komm ich denn darüber? Hier ist ja nirgends ein Fussgängerübergang geschweige denn so etwas wie eine Ampel oder ein Zebrastreifen. Die ganze Straße ist eingezäunt… – Ah dahinten, in 300 m Entfernung ist eine Brücke über die Straße.“ So sammelte ich erste Erfahrungen mit den Distanzen in China. Die Devise „so nah und doch so fern“ gilt in Peking an jeder Straßenecke, es dauert Ewigkeiten bis man selbst kleinste Distanzen zurückgelegt hat, denn man findet überall Zäune und Barrieren, die die Walkability der Stadt immens einschränken.

    In der Ubahn angekommen war ich insofern erleichtert, als dass die Ubahnstationen alle auch in lateinischen Lettern dargestellt sind. Den ticketkauf ließ ich mir von erfahrenen Touristen erklären und schon sah ich mich in einer hoffnungslos überfüllten Ubahn wieder, mit Chinesen die mich mal neugierig, mal freudig und mal total überrascht musterten. Erste Handys wurden gezückt um heimlich Fotos von mir zu machen.

    An der verbotenen Stadt angekommen, steuerte ich auf eine Gruppe junger Leute zu, in der Hoffnung, dass diese in der Lage waren, die Adresse entziffern zu können. Mit vereinter Kraft war es ihnen möglich die Adresse zu entziffern und zeigten mir den Weg auf ihrer chinesischen Google Maps Variante „Baidu Maps“, wo ich hin muss. Den Weg schnell abfotografiert machte ich mich los. 20 Minuten später war ich dann auch angekommen und das Hostel begrüßte mich mit einer gewissen Anonymität und wenig Wohlfühlatmosphäre.

     

    Später leihte ich mir ein Fahrrad und zog mit einer To Do Liste los. Darin enthalten war das Besorgen von Bargeld, einer Simkarte, Flipflops und neuen Akkus für das Handy.

    Chinatown in Chinatown

    Chinatown in Chinatown

    Ersteres ging problemlos um die Ecke, eine Simkarte zu finden war schon etwas komplizierter, da es China mehrere Anbieter fand. Im Internet ist zu lesen, dass China Unicom den besten Empfang hat und zudem problemlos mit Samsunggeräten kompatibel ist. In einem Samsungshop wurde ich fündig, wo mir dann eine 500 MB Karte, welche für einen Monat gültig war für umgerechnet stolze 40 Euro verkauft wurde. Da musste ich erstmal schlucken und lernte, dass China in gewissen Dingen ganz schön teuer sein kann. Zum Vergleich: In Russland bekam ich 3 GB für umgerechnet 6 Euro. Dies war ein erster Vorgeschmack darauf, wie kompliziert der Internetgebrauch in China war. Kurz darauf bestätigte sich das, worüber mich viele schon vorgewarnt hatten: Google funktioniert nicht – auch nicht Google Maps. Wie sehr man an dessen Service gewohnt ist, merkt man, wenn man es nicht mehr zur Verfügung hatte. Mal schnell Informationen einholen war ebenso wenig möglich wie die Wegfindung auf der Karte. Ich hatte zwar Offlinekarten, die aber mehr oder weniger nutzlos waren, wenn man weder die Straßenschilder lesen konnte, noch ein GPS Signal empfing…das wurde in der Mongolei schon immer schlechter und schien in China komplett zu versagen.

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    Zwei Rockstars und das Publikum

    Ich beschloss, meine To Do Liste fürs erste ruhen zu lassen und bog in eine vielversprechende Seitenstraße ab, welche voll von roten Papplaternchen und Touristen war. Zudem gab es jede Menge exotische Streetfood. Wie wäre es bspw. mit Seepferdchen-Spießen, oder noch lebendige Skorpione? Oder Wachteln samt Eier? Insekten aller Art durften natürlich auch nicht fehlen und ein Stand beeindruckte mich besonders: Dort wurden Taranteln und Schlangen am Spieß angeboten. Das musste ich probieren. Dabei lernte ich nicht nur, dass diese Tiere frittiert fast nach nichts schmecken, sondern auch eine der wichtigsten Regeln, wenn man in China überleben möchte: Frage stets nach dem Preis, BEVOR du isst. Nachdem die nette Dame sich freundlicherweise anbot, von mir Fotos zu machen zückte ich meinen Geldbeutel und fragte nach dem Preis. „Eighty“ und zeigte dabei auf die Taranteln und die Schlangen. Nach kurzerer Rechnerei schlief mir das Gesicht ein: 80 Yuan für beide zusammen?! Das sind umgerechnet über 11 Euro! Ich versuchte der Dame klarzumachen, dass das nicht sein könnte und dass ich glaube, dass sich mich versucht auszutricksen. Die freundliche Dame war nun nicht mehr so freundlich und zeigte energisch auf das Menuschild oberhalb des Standes. Dort war alles in chinesisch verzeichnet, die Zahlen waren jedoch arabisch und zwei Gerichte kosteten scheinbar 80 Yuan. Dennoch wähnte ich mich als Opfer eines Betruges und dachte mir, dass der blöde Tourist, nachdem er ohne den Preis zu verhandeln konsumiert hat, nun automatisch auf das teuerste Gericht auf der Karte verwiesen wird. Ich hielt einen chinesischen Passanten an und fragte, ob es stimmt, dass Snake und Spider 80 Yuan kosteten. Die Dame wurde langsam sehr aufgebracht. Der Mann brauchte eine Weile bis er die Schrift seiner Muttersprache identifizieren konnte und machte dann eine zustimmende Geste. Es half nix – um nicht noch mehr Ärger zu verursachen, griff ich brummelig in die Brieftasche und gab der Dame ihre 80 Yuan. Das war jedoch noch nicht alles: „Eighty each!“ ….“22 Euro für diese Scheiße??!!“ Hysterisch verwies sie mich nochmals auf das Menuschild. Ich schleuderte ihr das Geld entgegen und verdrückte mich in der Menge. Der Appetit nach all den Leckereien war mir nun gehörig vergangen und ich schwang mich auf mein Fahrrad um mich beim Radfahren abzureagieren.

    Da war die Welt noch in Ordnung

    Da war die Welt noch in Ordnung

    Ich radelte Richtung verbotene Stadt und dort lernte ich die ruhige Seite Pekings kennen: Entlang der Mauer der verbotenen Stadt führte ein großer, mit Wasser gefüllter Graben, an dessen Seiten dezent beleuchtete Wege entlang führten. Auf Parkbänken saßen verliebte Pärchen, oder auch vereinzelte Leute auf der Suche nach etwas Ruhe. Dort entlang zu fahren war äußerst angenehm. Es war mild, jedoch nicht zu kalt und mysteriös, jedoch nicht bedrohlich. Während ich immer wieder anhielt, um Fotos zu schießen konnte ich einige interessante Konversationen innerhalb meiner Whattsapp Gruppen in der Heimat verfolgen. Daraus ergab sich eine interessante Mischung aus Fremden und Vertrautem (bitteschön, Müller!). Ich konnte sogar bis vor das Haupttor der verbotenen Stadt fahren und fand mich dort fast komplett alleine. Hier mussten tagsüber wohl tausende von Menschen sein…

    Entlang der verbotenen Mauer

    Entlang der verbotenen Mauer

    Zurück am Hostel klang der Abend mit einer netten Bekanntschaft aus. Ich traf Peter, einen Deutschen aus Leipzig, der für den morgigen Tag den Besuch der chinesischen Mauer geplant hatte. Da seine Planung sehr vielversprechend und durchdacht klang, schloss ich mich ihm an und wir vereinbarten 6:30 Uhr als Treffpunkt für die Abreise. Schnell ging es ins Bett um fit für den morgigen Tag zu sein…

    (L)MAO

    (L)MAO



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